Wie ein Espresso mein Leben veränderte

Wie ein Espresso mein Leben veränderte

Du möchtest einen Kaffee trinken – egal ob Du im Café oder vor Deiner heimischen Kaffeemaschine stehst. Es stellt sich die Frage, was Deine Auswahl ist: Ein schwarzer Kaffee mit einem Schuss Milch? Oder ein Latte Macchiato mit Hafermilch und Kakaopulver auf dem Schaum? Auf jeden Fall aber kein Espresso, oder? Zu stark, aber vor allem zu klein – man macht sich ja keinen Kaffee, um ihn mit einem schnellen Schluck schon auszutrinken?

Ganz genau so dachte ich auch. Ich war nie ein großer Kaffeetrinker – meine Vorliebe war schon immer Tee – doch wenn es einer sein sollte, dann meistens zu einem Gespräch, Kuchen am Sonntag oder zu einem Buch oder der Arbeit an einem Projekt. Und dann soll er lange reichen – ich käme also nicht auf die Idee einen Espresso zu nehmen, um nach 5 Minuten schon wieder ohne die Begleitung eines heißen Getränks dazusitzen.

Und heute? Steht bei mir im heimischen Büro eine Kaffeemaschine – nein, kein Kaffeevollautomat, auch kein System mit Kapseln oder Pads. Eine waschechte Siebträgermaschine mit einer, bzw. doppelten Auswahl: Espresso einfach oder doppelt. Und ich liebe es! (Auch wenn das Aufräumen eine Schattenseite ist)

Doch was ist in der Zwischenzeit passiert?

Eigentlich sehr vieles, auch mein Umzug von der „Provinz“ in die Stadt wird hierbei viel verändert haben – meine Lebensweise hat sich enorm verändert, bzw. verbessert! Es ist sicherlich ein Nebenphänomen vieler Veränderungen:

Das intensive Genießen von kleinen Momenten an vielen Stellen meines Alltags – die Espressokultur ist eine wunderbare Allegorie dazu!

Ich wechselte vom beiläufigen Schlürfen einer großen Kaffeetasse hinzu einer bewussten kleinen Auszeit und Genuss. Heute ging ich von der Bibliothek wieder Richtung Zuhause und lief an meiner Lieblingsconfiserie vorbei. Und sofort bin ich dem Wunsch nach einer kleinen Auszeit verfallen.

Meine Wahl fiel auf einen Espresso und einer kleinen Champagner-Praline dazu. Und im nächsten Augenblick erhielt ich ein silbernes Tablett mit einer schönen Tasse Espresso, einem kleinen Silberlöffel, Zucker und einem kleinen Wasserglas – natürlich auch einem feinen Tellerchen mit der Champagner-Praline. So genoss ich den dunklen und tiefen Geschmack, der hin und wieder von einer fruchtig-süßeren Note der Praline gebrochen wurde. Ich schaute auf den Marktplatz, all die eilenden Menschen und genoss zufrieden die kleine Auszeit – vor ein paar Minuten war ich einer dieser Menschen, die von einem zum anderen Termin eilten oder vielleicht noch etwas nach der Arbeit erledigen mussten. Und so war ich froh über die Entscheidung kurz beiseite zu treten und eine andere Perspektive einzunehmen. Eine Perspektive, dass das Leben auch Genuss sein kann.

Schließlich musste der Kaffee erst am Strauch in Ecuador oder Kolumbien reifen, gepflegt und schließlich geerntet werden, getrocknet, tausende Kilometer transportiert, ausgepackt, geröstet und wieder verpackt werden, um dann für einen kurzen Genuss gemahlen und aufgebrüht zu werden. Mit all den Tassen, Löffelchen, Tellerchen und Pralinchen – alles nur für einen schnellen Schluck?

Ja – für einen schnellen Schluck. Doch das Entscheidende ist, was wir aus diesem schnellen Schluck machen: Wenn wir langsam trinken, werden es vielleicht drei kleine. Zwischendurch ein ausgleichender Wasserschluck und natürlich der schöne Kontrast, die fruchtig-süße Praline. Vielleicht auch zwischen den Schlückchen ein Blick nach draußen, ein kleines nettes Gespräch mit dem Barista oder einfach mal die Wahrnehmung der Stille, Ruhe und der eigenen Zufriedenheit in diesem Moment.

Das nebenläufige passive Schlürfen wird schließlich zu einem ganz bewussten und aktiven Momentum. Ein kurzes Austreten aus dem produktiven und vorüber eilenden Alltag und die Reflektion dessen, was oft verborgen liegt. Der Aufwand beim Espresso ist immens und man sieht ihn nicht auf den ersten Blick – erst wenn man darüber nachdenkt und reflektiert, werden plötzlich die Besonderheiten sichtbar.

Das Leben hat leider Schattenseiten, oftmals auch mehr als das uns lieb wäre. Auch die Philosophie zeichnet das Leben relativ dunkel – doch auch die (Er-)Lösung in kleinen Momenten des Positiven. Diese dauern oft nicht lange an, deshalb gilt es ihren warmen Schein so hell wie möglich zu machen, um die Dunkelheit immer wieder zu erhellen.

Und so sind diese Momente wie ein Espresso: Kurz, aber voller Bewusstsein, Sorgfalt und ein intensives Erlebnis – auch ein bewusster Austritt aus dem stressigen Alltag, der uns daran erinnert, dass das Leben diese schönen und intensiven Momente an vielen Stellen für uns versteckt – wir müssen sie nur finden.

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